NEUER VERTEIDIGUNGSMINISTER PISTORIUS: „Es geht direkt los, von Null auf Hundert“.
Es ist eine überraschende Personalie: Niedersachsens Innenminister Pistorius wird neuer Verteidigungsminister. Viel Zeit zum Einarbeiten lässt ihm schon der Ukraine-Krieg nicht. Am Freitag erwartet den Sozialdemokraten bereits ein wichtiges internationales Treffen.
Berlin/Hannover (dpa) - Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister und damit Nachfolger der scheidenden Amtsinhaberin Christine Lambrecht (beide SPD). Der Amtswechsel soll an diesem Donnerstag erfolgen. Er habe «Demut und Respekt vor einer so gewaltigen Aufgabe», sagte Pistorius. Die CDU/CSU-Opposition forderte ihn auf, unter Lambrecht liegen gebliebene Projekte schnellstens anzupacken und auch die Entscheidung für die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine zu treffen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte, Pistorius verfüge über sehr, sehr viel Erfahrung in der Sicherheitspolitik. Er habe schon bisher sehr offen und eng mit der Bundeswehr zusammengearbeitet. Zudem sei Pistorius jemand, «der auch die Kraft und Ruhe besitzt, die man für eine so große Aufgabe angesichts der jetzigen Zeitenwende braucht». Scholz war zuversichtlich, dass die Bundeswehr mit Pistorius gut auskommen werde. «Ich bin überzeugt, dass das jemand ist, der mit der Truppe kann, und den die Soldatinnen und Soldaten sehr mögen werden.»
Lambrecht hatte am Montag nach nur gut einem Jahr im Amt ihren Rücktritt erklärt. Sie wird an diesem Donnerstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Entlassungsurkunde bekommen, Pistorius die Ernennungsurkunde. Direkt anschließend wird er im Bundestag vereidigt. In den vergangenen Tagen waren mehrere andere Namen als mögliche Nachfolger genannt worden, darunter Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, SPD-Chef Lars Klingbeil und die Wehrbeauftragte Eva Högl. Pistorius war nun eine Überraschung.
«Ich will die Bundeswehr stark machen», betonte Pistorius in Hannover. «Die Aufgaben, die vor der Truppe liegen, sind gewaltig.» Ihm sei dabei die «enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit» mit den Soldatinnen und Soldaten wichtig. Die Bundeswehr müsse sich auf eine neue Situation durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine einstellen. «Mir ist wichtig, die Soldatinnen und Soldaten ganz eng in diesem Prozess zu beteiligen und sie mitzunehmen. Und die Truppe kann sich darauf verlassen, dass ich mich, wann immer es nötig ist, vor sie stellen werde.»
Die Wehrbeauftragte Högl nannte Pistorius einen «engagierten, führungsstarken und leidenschaftlichen Politiker». Er sei ein Mann, «dem die Bundeswehr sehr am Herzen liegt und auf den sie sich verlassen kann», sagte sie der «Rheinischen Post».
SPD-Chef Lars Klingbeil betonte, Pistorius sei «in dieser herausfordernden Zeit der Richtige für den Job als Verteidigungsminister». SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte dem Nachrichtenportal «t-online», als Innenminister habe sich Pistorius als «beherzter Anpacker und Problemlöser» einen Namen gemacht. «Er wird die Bundeswehr mit Herz und Hand führen.» SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich war überzeugt: «Er ist in der Lage, sich auch schnell in dieses Fach einzuarbeiten.»
Auch die Ampel-Partner der SPD lobten die Personalie. Finanzminister Christian Lindner gratulierte Pistorius umgehend. «Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns», schrieb er auf Twitter. Er freue sich auf eine gute Zusammenarbeit beider Ministerien. Von einer «guten Personalentscheidung», sprach FDP-Fraktionschef Christian Dürr. «Gerade in diesen schwierigen und sehr herausfordernden geopolitischen Zeiten ist es wichtig, dass jemand Bundesverteidigungsminister ist, der sich in Sicherheitsstrukturen auskennt.»
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte Pistorius einen «sehr erfahrenen Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt». Er übernehme das Verteidigungsressort «in sehr entscheidenden Zeiten». «Es sind auch kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen, insbesondere die drängende Frage, wie wir die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung weiter unterstützen.» Außenministerin Annalena Baerbock freut sich nach eigenem Bekunden auf die Zusammenarbeit mit Pistorius.
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